Wir geben Ihnen im Marktkommentar einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten.
Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe…
Eine treffende Zeile aus Goethes Ballade „Der Zauberlehrling“, bei der es um einen übermütigen Lehrling geht, der in Abwesenheit seines Meisters einen Zauber versucht, um sich die Arbeit zu erleichtern. Dazu erweckt er einen Besen zum Leben, um Wasser zu holen.
Er verliert jedoch die Kontrolle über den Zauber und das Haus des Meisters wird überflutet. Das Chaos eskaliert, bis der Meister zurückkehrt und die Situation rettet. Gerade in Bezug auf den amerikanischen Präsidenten Trump und den Chef der US-Notenbank Powell könnte man sich die Frage stellen, „wer ist hier der Meister und wer der (Zauber)-Lehrling?“; denn der Schutz der Notenbank vor politischem Einfluss ist ein hohes Gut, das schnell verspielt sein kann - ähnlich dem missglückten Zauber.
Erst seit kurzem scheinen die Währungshüter:innen einer Entwicklung vorzugreifen, in welcher der politische Druck von Donald Trump auf die US-Geldpolitik zusehends durchschlägt. Dies zeigt sich insbesondere in der aktuellen Zusammenstellung der Vorhersagen des Fed-Gremiums - bezüglich Zins Wachstum und Inflation für die Jahre 2026 und 2027 -, in dem die Notenbanker:innen Leitzinsen planen, die niedriger liegen, als dies für stabile Preise nötig wäre. Die Bereitschaft des Fed, höhere Inflation zu tolerieren, kann dem Staat zumindest kurzfristig Vorteile bringen. Inflation wirkt wie eine verdeckte Steuer. Sie lässt die Staatseinnahmen steigen und verringert gleichzeitig den echten „realen“ Wert der Staatsschulden. Zusätzlich verbilligen niedrigere Zinsen die Aufnahme neuer Schulden. Alles willkommenen Effekte für finanziell schlecht ausgestattete öffentliche Kassen.
Seit langem versucht der US-Präsident mit öffentlicher Kritik, persönlichen Angriffen und der lauten Forderung nach Zinssenkungen, die Entscheidungen des Fed direkt zu lenken. Ökonom:innen sprechen diesbezüglich von „fiskalischer Dominanz“; einem Zustand, in dem die Geldpolitik primär den Finanzierungsbedarf des Staates bedient. In einem solchen Regime agiert die Zentralbank nicht mehr als Hüterin der Preisstabilität, sondern vielmehr als Erfüllungsgehilfin des Finanzministers. Eine ähnliche Situation hatten wir bereits in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts mit der Konsequenz, dass die Inflation damals gewaltig überschoss.
Die Unabhängigkeit von Notenbanken ist also beileibe kein Naturgesetz, sondern eine historische Errungenschaft. Ihre heutige Form ist das Resultat der Lehren aus der Stagflation (hohe Inflation bei geringem Wirtschaftswachstum) der Siebzigerjahre. Obwohl die Autonomie gesetzlich verankert ist, hängt sie tatsächlich auch vom politischen Wohlwollen der Regierenden ab. Zentralbanken sind Geschöpfe des Staates, deren gesetzliche Grundlage modifiziert werden kann. Dabei galt die Personalpolitik schon immer als subtiler Hebel der Einflussnahme, d.h. wer die Spitzenposten besetzt, bestimmt über Jahre hinweg den Kurs der Institution.
So wie das Gedicht vom Zauberlehrling vor Übermut und der unkontrollierten Anwendung von Macht und Wissen warnt, so sollten auch die andauernden Angriffe auf die Unabhängigkeit der US-Notenbank Warnung genug sein, um sich der Tragweite des Verlustes der Autonomie der Notenbank durch die gesetzten Handlungen eines US-Präsidenten bewusst zu werden. „Denn wenn diese wichtige Säule der Wirtschaftspolitik weiter wackelt und vielleicht sogar eines Tages bricht, sind große Schäden zu befürchten“, sprach der Meister zum Zauberlehrling. Wer von beiden nun aber der Zauberlehrling oder der Meister ist, bleibt zumindest derzeit noch unbeantwortet. Nichtsdestotrotz bin ich mir einigermaßen sicher, dass wir im Verlaufe der nächsten Monate mehr Klarheit darüber erhalten werden.
Autor:
Mag. Andreas Brunbauer, CEFA, CFTe, CPM
Kapitalmarktstratege
Stand: 1. November 2025
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