Wir geben Ihnen im Marktkommentar einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten.
Europa - die stille Kraft seiner institutionellen Resilienz
Gegenseitige Achtung und institutionelle Zurückhaltung galten und gelten - so sollte man meinen - seit vielen Jahrzehnten als die wesentlichen Leitplanken der US-amerikanischen Demokratie. Was passieren kann, wenn diese Leitplanken zusehends verschoben werden ...
... und somit vermehrt ins Wanken geraten, wird uns mittlerweile beinahe täglich durch die zum Teil kaum nachvollziehbaren Handlungen des amerikanischen Präsidenten unmissverständlich vor Augen geführt. Die Reaktionen der Finanzmarktteilnehmer*innen darauf und ihre Auswirkungen auf die Staatsanleihen- und Währungsmärkten folgen meist prompt; egal ob durch wirtschaftliche Belange oder durch Demokratie aushöhlende Aktionen verursacht.
So stiegen Mitte Juni die Renditen 30-jähriger US-Staatsanleihen auf beinahe 5,20 Prozent. Die dafür oft angeführten Gründe sind die Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit durch Moody`s von Aaa auf Aa1, eine schwache Auktion von 20-jährigen Staatsanleihen sowie die geplanten umfangreichen Steuererleichterungen und Ausgabenprogramme ohne ausreichende Gegenfinanzierung der Regierung Trump. Der Anstieg der Renditedifferenz der 30-Jährigen zu deren fünfjährigen Pendants, die in den letzten Jahren um die Marke von 4,10 Prozent seitwärts tendierten, ist ein Zeichen dafür, dass die Anleger*innen zusehends nervöser werden und eine höhere Risikoprämie für langlaufende Staatsanleihen der USA fordern.
Eine vergleichbare Entwicklung findet derzeit in Japan statt. Dort erreichten die 30-jährigen JGB´s (Japan Government Bonds) kürzlich eine Rendite von 3,20 Prozent. Auch dort sind eine schwache Nachfrage der Marktteilnehmer*innen nach japanischen Staatsanleihen und die Reduktion der Anleihenkäufe durch die japanische Notenbank (BOJ) maßgeblich für den Renditeanstieg verantwortlich. Die Erhöhung der Risikoprämien - sowohl in den USA als auch in Japan - sollte für alle als Warnsignal verstanden werden. Die Anleger*innen machen sich zusehends Sorgen über die Schuldentragfähigkeit dieser Länder, wenngleich es zu berücksichtigen gilt, dass die Japaner über sehr viele Devisenreserven und die Amerikaner noch immer über den US-Dollar als Weltreservewährung verfügen.
Vor diesem Hintergrund erscheint es fast schon paradox, dass ausgerechnet in einer Phase, in der sich viele westliche Demokratien im politischen Taumel befinden, Europa beginnt, sein strukturelles Defizit in einen politischen und wirtschaftlichen Vorteil zu verwandeln. Dies aber nicht durch revolutionären Fortschritt, sondern vielmehr durch die stille Kraft seiner institutionellen Resilienz. Denn in einer Welt, in der die Fiskalpolitik der Vereinigten Staaten zunehmend aus dem Ruder gerät, Japan seit mehr als einer Generation wieder mit Inflation und Zinsanstiegen konfrontiert ist und China wirtschaftliche Schwierigkeiten hat, gewinnt Europa durch das, was lange als seine Schwäche galt - seine Langsamkeit und Komplexität - wieder an Bedeutung.
Europa zeigt sich somit - zumindest im relativen Vergleich zu den USA, Japan oder China - trotz aller immer wieder aufgeführten Defizite derzeit als fiskalisch und institutionell widerstandsfähig. Die Schuldenquote der Eurozone ist zwar mit über 90 Prozent der Wirtschaftsleistung immer noch zu hoch, aber immerhin in der Tendenz fallend. Flankiert wird all dies von einer glaubwürdigen und unabhängigen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie einem institutionellen Gefüge, das eine exzessive fiskalische Eskalation „a la Trump“ - zumindest bis dato - zu verhindern vermag.
Autor:
Mag. Andreas Brunbauer, CEFA, CFTe, CPM
Kapitalmarktstratege
Stand: 1. Juli 2025
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