Mit 1. Jänner 2015 sind die Europäische Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie von Banken und Wertpapierfirmen (Bank Recovery and Resolution Directive, „BRRD“) und die Europäische Verordnung zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und Verfahren für die Abwicklung von Kreditinstituten im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds („SRM-Verordnung“) in Kraft getreten. Sie führen für alle EU-Mitgliedstaaten eine einheitliche Regelung zur Vorbeugung von Bankenkrisen und dem Krisenmanagement von Banken ein.
Die BRRD wurde in Österreich mit dem Bundesgesetz über die Sanierung und Abwicklung von Banken (BaSAG) umgesetzt.
Diese BRRD sieht unter anderem vor, dass in jedem EU-Mitgliedstaat eine nationale Abwicklungsbehörde eingerichtet wird, die bestimmte Rechte zur Abwicklung und Sanierung von Kreditinstituten hat.
Die genaue Ausgestaltung der Maßnahmen auf nationaler Ebene, die Abwicklungsbehörden treffen können, kann sich im Detail unterscheiden. Hier sollen die möglichen Abwicklungsmaßnahmen am Beispiel Österreichs erläutert werden. Die Abwicklungsverfahren anderer, insbesondere auch nicht-europäischer Länder können abweichend und noch einschneidender ausgestaltet sein.
Betroffen sein können Anteilsinhaber oder Gläubiger einer Bank, die von der betroffenen Bank ausgegebene Finanzinstrumente halten (zum Beispiel Aktien, Anleihen oder Zertifikate) oder als Vertragspartner der Bank Forderungen gegen die Bank haben (zum Beispiel Einzelabschlüsse unter einem Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte).
Die Wertpapiere, die die Bank für den Anleger im Depot verwahrt und die nicht von der depotführenden Bank emittiert wurden, sind nicht Gegenstand einer Abwicklungsmaßnahme gegen diese Bank. Im Fall der Abwicklung einer depotführenden Bank bleiben Ihre Eigentumsrechte an diesen (fremden) Finanzinstrumenten im Depot unberührt.
Um im Krisenfall eine geordnete Abwicklung zu ermöglichen, wurden Abwicklungsbehörden geschaffen. Das Single Resolution Board („SRB“, deutsch „Einheitlicher Abwicklungsausschuss“) und die Österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) sind die in Österreich zuständigen Abwicklungsbehörden. Aus Vereinfachungsgründen wird nachfolgend nicht mehr zwischen SRB und FMA unterschieden.
Die für die betroffene Bank zuständige Abwicklungsbehörde ist unter bestimmten Abwicklungsvoraussetzungen ermächtigt, Abwicklungsmaßnahmen anzuordnen.
Bankenabwicklung oder Insolvenzverfahren?
Die Abwicklungsbehörde kann bestimmte Abwicklungsmaßnahmen anordnen, wenn folgende Abwicklungsvoraussetzungen vorliegen:
- Die betroffene Bank droht auszufallen. Diese Einschätzung erfolgt nach gesetzlichen Vorgaben und liegt beispielsweise vor, wenn die Bank aufgrund von Verlusten nicht mehr die gesetzlichen Anforderungen an die Zulassung als Kreditinstitut erfüllt.
- Es besteht keine Aussicht, den Ausfall der Bank innerhalb eines angemessenen Zeitraums durch alternative Maßnahmen des privaten Sektors oder sonstige Maßnahmen der Aufsichtsbehörden abzuwenden.
- Die Maßnahme ist im öffentlichen Interesse erforderlich, das heißt notwendig und verhältnismäßig und eine Liquidation in einem regulären Insolvenzverfahren ist keine gleichwertige Alternative.
Darüber, ob die Abwicklungsmaßnahme im öffentlichen Interesse liegt, entscheidet die Abwicklungsbehörde im Einzelfall anhand der im Gesetz vorgesehenen Kriterien (unter anderem Vermeidung negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität, Schutz der Einleger, Schutz öffentlicher Mittel).
Entscheidet sich die Abwicklungsbehörde gegen Abwicklungsmaßnahmen, so wird über die Bank bei voraussichtlich behebbarer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein Geschäftsaufsichtsverfahren eröffnet werden. Dieses Verfahren hat zur Folge, dass Sie Ihre unbesicherten Ansprüche gegen die betroffene Bank erst nach Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung geltend machen können.
Muss davon ausgegangen werden, dass die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit nicht mehr beseitigt werden kann, wird über das Vermögen der Bank das Konkursverfahren eröffnet werden. Im Konkursverfahren erhalten Sie auf das von Ihnen gehaltene, von der Bank ausgegebene Finanzinstrument nur die auf Ihre Forderung entfallende Konkursquote. Bestehen für die Forderung Sicherheiten (zum Beispiel in Form eines Deckungsstocks), haben Sie Anspruch auf vorrangige Befriedigung aus diesen Sicherheiten.
Welche Maßnahmen kann die Abwicklungsbehörde anordnen?
Liegen alle Abwicklungsvoraussetzungen vor, kann die Abwicklungsbehörde – im Regelfall vor einer Insolvenz – umfangreiche Abwicklungsmaßnahmen ergreifen, die sich auf Anteilseigner und Gläubiger der Bank nachteilig auswirken können:
- Unternehmensveräußerung:
Dabei werden Anteile, Vermögenswerte, Rechte oder Verbindlichkeiten der abzuwickelnden Bank ganz oder teilweise auf einen bestimmten Erwerber übertragen. Soweit Anteilsinhaber und Gläubiger von der Unternehmensveräußerung betroffen sind, steht ihnen ein anderes bereits bestehendes Institut gegenüber.
- Brückeninstitut:
Die Abwicklungsbehörde kann Anteile oder andere Eigentumstitel an der Bank oder alle oder einzelne Vermögenswerte an der Bank einschließlich ihrer Verbindlichkeiten auf ein sogenanntes Brückeninstitut übertragen. Dies kann die Fähigkeit der Bank beeinträchtigen, ihren Zahlungs- und Lieferverpflichtungen gegenüber den Gläubigern nachzukommen, sowie den Wert der Anteile an der Bank reduzieren.
- Ausgliederung von Vermögenswerten:
Im Rahmen dieses Instruments kann die Abwicklungsbehörde die Anordnung erlassen, Vermögenswerte, Rechte oder Verbindlichkeiten eines in Abwicklung befindlichen Instituts auf eine oder mehrere eigens für die Vermögensverwaltung errichtete Zweckgesellschaften zu übertragen (Abbaueinheit). Hierdurch sollen die Vermögenswerte mit dem Ziel verwaltet werden, ihren Wert bis zur späteren Veräußerung oder Liquidation zu maximieren. Ähnlich dem Instrument der Unternehmensveräußerung, steht einem Gläubiger nach Übertragung ein neuer Schuldner gegenüber.
- Gläubigerbeteiligung („Bail-in“) – anwendbar seit 1. Jänner 2016:
Die Abwicklungsbehörde kann Finanzinstrumente von und Forderungen gegen die Bank entweder teilweise oder vollständig herabschreiben oder in Eigenkapital (Aktien oder sonstige Gesellschaftsanteile) umwandeln, um die Bank auf diese Weise zu stabilisieren; die Verluste aufzufangen und zu rekapitalisieren.
Die Abwicklungsbehörde kann durch eine behördliche Anordnung die Bedingungen der von der Bank herausgegebenen Finanzinstrumente sowie der gegen sie bestehenden Forderungen anpassen, zum Beispiel kann der Fälligkeitszeitpunkt oder der Zinssatz zu Lasten des Gläubigers geändert werden. Ferner können Zahlungs- und Lieferverpflichtungen modifiziert, unter anderem vorübergehend ausgesetzt werden. Auch können Beendigungs- und andere Gestaltungsrechte der Gläubiger aus den Finanzinstrumenten oder Forderungen vorübergehend ausgesetzt werden.
Wann ist der Gläubiger von einem „Bail-in“ betroffen?
Ob Sie als Gläubiger von der Abwicklungsmaßnahme des „Bail-in“ betroffen sind, hängt von der Reichweite der angeordneten Maßnahme und davon ab, in welche Klasse Ihr Finanzinstrument oder Ihre Forderung einzuordnen ist.
Gesetzlich ausgenommen vom „Bail-in“ sind bestimmte Arten von Finanzinstrumenten und Forderungen:
Das sind beispielsweise durch ein gesetzliches Einlagensicherungssystem gedeckte Einlagen bis EUR 100000,- und durch Vermögenswerte besicherte Verbindlichkeiten (zum Beispiel Pfandbriefe oder fundierte Schuldverschreibungen).
Im Rahmen eines „Bail-ins“ werden Finanzinstrumente und Forderungen in verschiedene Klassen eingeteilt und nach einer gesetzlichen Rangfolge zur Haftung herangezogen (sogenannte Haftungskaskade).
Für die Betroffenheit der Anteilsinhaber und Gläubiger der jeweiligen Klassen gelten folgende Regeln:
Erst wenn eine Klasse von Verbindlichkeiten komplett herangezogen wurde und dies nicht ausreicht, um Verluste ausreichend zur Stabilisierung der Bank zu kompensieren, kann die in der Haftungskaskade folgende Klasse von Verbindlichkeiten herabgeschrieben oder umgewandelt werden:
- Als Erstes betreffen die Abwicklungsmaßnahmen das harte Kernkapital und somit die Anteilsinhaber der Bank (also Inhaber von Aktien und anderen Eigenkapitalinstrumenten).
- Dann ist das zusätzliche Kernkapital betroffen (zum Beispiel Additional Tier 1-Emissionen).
- Danach wird das Ergänzungskapital herangezogen. Damit sind Gläubiger nachrangiger Verbindlichkeiten (zum Beispiel Inhaber nachrangiger Darlehen – „Tier 2“) betroffen.
- In der Haftungskaskade schließen sich die unbesicherten nachrangigen Finanzinstrumente/ Forderungen an, die nicht die Anforderungen an das zusätzliche Kernkapital oder das Ergänzungskapital („Tier 2“) erfüllen.
- Als nächste Klasse scheinen Verbindlichkeiten aus unbesicherten nicht-nachrangigen und nicht-strukturierten Schuldtiteln (Non-Preferred-Senior-Bonds) auf, bei denen auf den niedrigeren Rang gegenüber der nachfolgenden Klasse hingewiesen wurde.
- Daran anschließend folgen in der Haftungskaskade unbesicherte nicht-nachrangige Finanzinstrumente und Forderungen („Sonstige unbesicherte Finanzinstrumente/Forderungen“ – zum Beispiel Senior-Anleihen).
- Zuletzt werden Einlagen von natürlichen Personen und Klein- und Mittelunternehmen für Überschüsse jenseits des gesetzlich durch die Einlagensicherung (Einlagensicherung AUSTRIA GesmbH) gesicherten Betrags von EUR 100000,- herangezogen.
Welche Folgen können die Abwicklungsmaßnahmen für den Gläubiger haben?
Wenn die Abwicklungsbehörde eine Maßnahme nach diesen Regeln anordnet oder ergreift, darf der Gläubiger allein aufgrund dieser Maßnahme die Finanzinstrumente und Forderungen nicht kündigen oder sonstige vertragliche Rechte geltend machen.
Dies gilt solange die Bank ihre Hauptleistungspflichten aus den Bedingungen der Finanzinstrumente und Forderungen, einschließlich Zahlungs- und Leistungspflichten, erfüllt.
Wenn die Abwicklungsbehörde die beschriebenen Maßnahmen trifft, ist ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals der Anteilsinhaber und Gläubiger möglich.
Anteilsinhaber und Gläubiger von Finanzinstrumenten und Forderungen können damit den für den Erwerb der Finanzinstrumente und Forderungen aufgewendeten Kaufpreis zuzüglich sonstiger mit dem Kauf verbundener Kosten vollständig verlieren.
Bereits die bloße Möglichkeit, dass Abwicklungsmaßnahmen angeordnet werden können, kann den Verkauf eines Finanzinstruments oder einer Forderung auf dem Sekundärmarkt erschweren.
Dies kann bedeuten, dass der Anteilsinhaber und Gläubiger das Finanzinstrument oder die Forderung nur mit beträchtlichen Abschlägen verkaufen kann. Auch bei bestehenden Rückkaufverpflichtungen der begebenden Bank kann es bei einem Verkauf solcher Finanzinstrumente zu einem erheblichen Abschlag kommen.
Bei einer Bankenabwicklung sollen Anteilsinhaber und Gläubiger nicht schlechter gestellt werden als in einem normalen Insolvenzverfahren der Bank.
Führt die Abwicklungsmaßnahme dennoch dazu, dass ein Anteilsinhaber oder Gläubiger schlechter gestellt ist, als dies in einem regulären Insolvenzverfahren der Fall gewesen wäre, führt dies zu einem Ausgleichsanspruch des Anteilsinhabers oder Gläubigers.
Weitere Informationen
Die Österreichische Nationalbank und die Österreichische Finanzmarktaufsicht haben Informationen zu den in Österreich geltenden Sanierungs- und Abwicklungsregeln zur Verfügung gestellt:
Österreichische Nationalbank: Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie